Echt gut, woll

rundrum

Im vorweihnachtlichen sauerländischen Meschede tat sich in der Adventszeit 2012 Ungewöhnliches. Vom 1. bis zum 24. Dezember waren täglich an neuen Schauplätzen sogenannte Textil-Graffitis in Form von „Bommel-Attacken“ zu finden. Pompon-Puschel dekorierten Hauseingänge, Parkbänke und Büsche. Regenbogenfarbige Reihen zogen sich über Metall-geländer, unter einem Vordach entstand ein Bommelhimmel, an einer Fassade formten die Pompons einen Smiley. Im ganzen Stadtgebiet tauchten nach und nach die textilen Interventionen auf. Die Tageszeitung richtete eine tägliche Rubrik ein, um über die Aktionen der geheimen „Wolltäter“ zu berichten: Vor Kirchen, Kindergärten und Krankenhaus, vor Tierheim, Tafel- und Tagesmütterverein, vor Schulen, Schuld-nerberatung und Stadtbücherei wurden die Kuschelobjekte gesichtet.

Dank für soziales Engagement

Jedes Mal waren die Gestaltungen begleitet von einem Etikett mit dem Aufdruck „Echte Wolltat! - Etwas Kuschliges für Orte, an denen Menschen für andere Menschen da sind“ und jedes Mal war auch ein Dankestext an die Mitarbeiter der Institution oder Einrichtung formuliert.
Doch wer verbarg sich hinter dieser Aktion?
Meschede rätselte, aber erst am Heiligabend wurde das Geheimnis in der Presse gelüftet: Die Schülerinnen und Schüler der St. Walburga Realschule waren die „Wolltäter“ und steckten hinter dieser geheimen Aktion. Mit ihr wollten sie in der Vorweihnachtszeit auf den vielfältigen sozialen Einsatz von Menschen in Meschede aufmerksam machen und sich für deren oftmals ehrenamtliches Engagement auf originelle Weise bedanken.

Die inhaltlichen, gestalterischen und logistischen Vorberei-tungen waren ab Herbst im Religions-, Kunst- und Textil-unterricht der Jahrgangsstufe 9 getroffen worden. Im Religionsunterricht recherchierten die Jugendlichen zunächst Wissenswertes über verschiedene soziale Einrichtungen in der Stadt und trafen eine Auswahl, die ein möglichst breites Spektrum umfasste: Hilfsdienste und Hilfeleistungen in konfessioneller, aber auch in nicht-konfessioneller Trägerschaft fanden Beachtung. Das Engagement für andere war ausschlaggebend, egal ob im Ehrenamt oder auch im Beruf verwirklicht. An diese Einrichtungen richteten die Schülerinnen und Schüler ihre individuellen, teils emotionalen, teils eher sachlichen Dankeszeilen. Gemeinsam mit dem Logo der Aktion – ein mit einem roten Faden umwundenes Herz – fanden die Texte Platz auf den Etiketten, die wetterfest laminiert jeweils gut lesbar bei den textilen Dekorationen angebracht wurden.

Bommel

Um Aufmerksamkeit zu erregen, um Neugier zu wecken und um Spannung zu erzeugen, wurden die „Echten Wolltaten!“ zunächst guerillia-artig inkognito angebracht, also ohne ihre Urheberschaft aufzudecken. Damit in der Bevölkerung aber keine Vorbehalte entstanden, war es nötig, textile Gestal-tungselemente zu finden, die eine hohe Akzeptanz haben.

 

Dieses Kriterium erfüllen Pompons, auch Bommel genannt. Sie wirken sympatisch, kindlich, naiv. Sie erinnern an Bommelmützen und Kindertage. Ihre wollige Botschaft ist völlig aggressionsfrei. Aus diesem Grund sind sie im besonderen Maß geeignet, Freude zu verbreiten.

Für die verschiedenen „Wolltaten“ arbeiteten jeweils drei bis sechs Schülerinnen und Schüler der 9. Jahrgangsstufe zusammen. Sie entwickelten ein auf die konkrete ästhetische Situation der auszuzeichnenden Institution abgestimmtes Gestaltungskonzept. Fotos der Situationen vor Ort halfen ihnen bei der Planung. So brachten die „Echten Wolltaten!“ eine Vielzahl an ganz verschiedenen Gestaltungsansätzen hervor: Einzeln gehängt schmückten Bommel als Weihnachtsbaum-kugeln eine Blaufichte vor der Polizeistation, in Reihe gehängt formierten sie sich zu einem regenbogenfarbigen Band am Treppenaufgang zum Ökumenischen Kirchenzentrum oder bildeten als Formkomplex bildhafte Symbole wie z. B. ein Herz für den Tierschutzverein. Teils griffen sie die am Ort dominierende Farbe auf und verstärkten sie durch weitere farblich abgestimmte Pompons oder sie setzten der örtlichen Tristess einfach einmal eine kontrastfarbige Buntheit entgegen.

Jede Kleingruppe der Neuntklässler war an einem anderen Adventstag nach Unterrichtsschluss und auch an den Wochenenden für die Installation ihrer Objekte vor Ort verantwortlich. Alles wurde leicht reversibel durch Bänder und Garne montiert, um nichts zu beschädigen und um niemanden zu verärgern.

Starke weiche Botschaft

Für die Dokumentation und die täglichen Zeitungsberichte wurden natürlich sofort Fotos von den Installationen gemacht, da anzunehmen war, dass einige Objekte fremde Liebhaber finden könnten. Und so war es teilweise auch: An etwas abgelegenen Stellen wurden einzelne Bommel recht schnell zu Sammler-Trophäen, aber nie erlebten wir bösartigen Vanda-lismus. Selbst „Bommel-Blumen“, die mitten auf dem Gehweg im Asphalt steckten, hielten sich lange. Andere Installationen sind aber auch noch Monate später an den Gebäuden zu finden und werden stolz und liebevoll von den Einrichtungen bewahrt.

Fast ohne Worte ist die Symbolhaftigkeit der kuschligen Gestaltungen durch die Botschaft ihres Materials, durch ihre Farben und ihre Fröhlichkeit verstanden worden. Textil-Graffitis stehen bildhaft für Zuwendung, Fürsorge, Wertschätzung und Achtsamkeit. Und so fanden die „Echten Wolltaten!“ durchweg positive Zustimmung, sowohl bei den ausgezeichneten sozialen Institutionen als auch bei Passanten und Zeitungslesern, von denen viele täglich freudig gespannt die Aktionen der geheimen „Wolltäter“ verfolgten.

Dieser außergewöhnliche Adventskalender lenkte den Blick in der vorweihnachtlichen Zeit auf das soziale Miteinander und brachte etwas emotionale Wärme ins winterliche Sauerland. Die echte Freude der Ausgezeichneten und der große Zuspruch in der Bevölkerung machten den Advent 2012 zu etwas ganz Besonderem im Schulleben der St. Walburga Realschule.